PETER BACKHAUS –  DER MEISTER DES NORDISCH KLAREN LICHTS

PETER BACKHAUS –  DER MEISTER DES NORDISCH KLAREN LICHTS

Dr. Peter Schütt

Malen ist Poesie ohne Worte.  Statt mit Worten dichtet der Maler mit Farben. Für kaum einen  Künstler trifft diese Aussage mehr zu als auf den Maler Peter Backhaus, der schon in jungen Jahren von Deutschland nach Schweden ausgewandert ist und seitdem inspiriert ist von dem hellen, klaren, kühlen Licht des Nordens, das in den kalten Nächten vom magischem Blendwerk des Nordlichts geheimnisvoll aufgeladen wird. Der abstrakte Maler bewegt sich wie ein Lotse im unermesslichen Farbenmeer. Er erkundet die Untiefen und verborgenen Riffe unter dem Meeresspiegel. Auf seinen Bildern glaubt man die Gischt zu spüren, die hinter den schnellen Schiffen aufgewirbelt wird. Beim Betrachten seiner Werke fühle ich mich an den großen schwedischen Lyriker Tomas Tranströmer erinnert, der seine schönsten Verse unter dem Titel „Ostseen“ veröffentlicht hat, sinnvoll im Plural mit den wechselnden Zeiten und Perspektiven, in welchen der Dichter das baltische Meer wahrnimmt. Eines von seinen früheren Gedichten heißt schlicht „Gleise“, und ich möchte es gern zitieren, um zu umreißen, welche Wirkung die Bilder von Peter Backhaus bei genauem und geduldigem Hinsehen auslösen können:

Zwei Uhr nachts: Mondschein. Der Zug hat angehalten
Mitten auf der Ebene draußen. Weit weg Lichtpunkte einer Stadt,
kalt am Rande des Gesichtskreises flimmernd.
Wie wenn ein Mensch so tief in einen Traum hineingegangen ist,
dass er sich nie erinnern wird, dass er dort war,
wenn er zu seinem Zimmer zurückkehrt.
Und wie wenn ein Mensch so tief in eine Krankheit hineingegangen ist,
dass alles, was seine Tage waren, zu ein paar flimmernden Punkten wird,
ein Schwarm, kalt und gering am Rande des Gesichtskreises.
Der Zug steht völlig still.
Zwei Uhr: starker Mondschein, wenige Sterne.

So wirken die Bilder von Peter Backhaus auf den sensiblen Betrachter. Sie nötigen zum Innehalten, zum Nachdenken über sich selbst, über den Anfang und das unausweichliche Ende der eigenen Lebensreise. So als wäre der Zug plötzlich auf freier Strecke aus unerfindlichen Gründen stehen geblieben. Man kann an seinen Abstraktionen nicht achtlos vorübergehen. Wenn man ihnen ins Auge schaut, muss man stehen bleiben und sich den Fragen stellen, die die Bilder ihrerseits an den einfühlsamen und selbstreflektierenden Betrachter stellen.

Peter Backhaus wurde l947 in Ilmenau nahe Weimar geboren. Zusammen mit seinen Eltern übersiedelte er l950 aus der DDR in die Bundesrepublik. Er wuchs in Minden an der Weser an der Seite seiner Schwester auf. Sein Vater war Steuerbeamter, seine Mutter kümmerte sich um den Haushalt und die Kinder. Seine Eltern förderten bereitwillig seine frühen künstlerischen Ambitionen. Sein Abitur machte er l968 in Lübbecke. Im gleichen Jahr setzte er mit der Fähre über nach Schweden, um dort dauerhaft zu bleiben. Der schwedische Sozialstaat hatte damals bei den deutschen „Achtundsechzigern“ fast den Ruf eines Traumlandes. Zwei der bedeutendsten Autorenpersönlichkeiten Nachkriegsdeutschlands, Nelly Sachs und Peter Weiss, waren vor den Nazis nach Schweden geflüchtet. Sie blieben auch nach Kriegsende dort und setzten sich für vielfältige deutsch-schwedische Kulturbeziehungen ein. Eingebunden in die vielfältigen Kontakte zwischen beiden sozialdemokratisch regierten Ländern, kann Peter Backhaus in seiner neuen Heimat rasch Fuß fassen und Freunde finden.

Er studiert zunächst in Göteborg Philosophie, Psychologie, Soziologie und  Kunstgeschichte und schließt seine Studien mit dem Titel eines Bacchelor of Philosophy (Fil.Kand) ab. Von l973 bis l978 studierte er Kunst an der Hovedskous Kunsthochschule in Göteborg. Intensiv beschäftigte er sich mit den alten Meistern, namentlich mit Rembrandt, an dessen Werken ihn vor allem die Darstellung von Licht und Schatten faszinierte. Aber auch Francis Bacon und Edward Munch waren mit ihren psychologisch stark geladenen Bildern, große Vorbilder Zugleich betätigte er sich musikalisch und spielte mit größtem Vergnügen in einer Rock-Band. An der Göteburger Kunsthochschule übernahm er schließlich eine Professur. Im Jahre 2000 wurde er zum Direktor der in Skandinavien hoch angesehenen Hochschule ernannt. Er wurde schließlich ihr Eigentümer und leistete so bis zu seinem Rückzug 2014 einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung und Förderung des künstlerischen Nachwuchses in Schweden.

Seitdem kann sich der Maler ganz seinen künstlerischen Ambitionen widmen. Er lebt abwechselnd in seinem Gehöft tief in den småländischen Wäldern, neunzig Kilometer südöstlich von Göteborg, und in Berlin, wo er sich vor einigen Jahren einen zweiten Wohnsitz besorgt hat. Die Pendelbewegungen zwischen hinterwäldlerischer Einsamkeit und großstädtischer Geschäftigkeit empfindet er als wohltuend und als wichtigen Impuls für seine künstlerische Produktivität. In Schweden gehört Peter Backhaus  schon seit den Achtzigerjahren zu den bekanntesten Künstlern des Landes. Seine Werke wurden vielfach ausgestellt und ausgezeichnet. In der großen Skandinavien-Ausstellung 2001, „Painting & Painting“ im  Museum von Kristinehamn mit 15 Repräsentanten aus den nordischen Ländern vertrat er neben Max Book, Ann Edholm und Carl Fredrik Reuterswärd, Schweden. Die Kunstkritiker des Landes heben besonders die fernöstlichen Einflüsse auf sein Schaffen hervor.

Nichts gegen das neue Berlin als ein fruchtbares Biotop für Kreative und Künstler aus der halben Welt. Aber ich vermute, dass Peter Backhaus  die abstrakten Bilder, wie er sie jetzt malt, nicht in der lauten Metropole schafft, sondern in der stillen Abgeschiedenheit seines Gehöftes im Innern Südschwedens. Sein künstlerischer Entwicklungsweg gliedert sich in mehrere Etappen. Kunst und Leben sind für ihn eins. Er malte zunächst realistisch, doch eine persönliche Krise ließ ihn an seiner überkommenen Malweise zweifeln. Er suchte nach neuen Wegen und Auswegen, in der persönlichen Lebensweise und in der künstlerischen Produktion. Statt nur auf Außenreize zu reagieren, schaute er nach innen. Er begann zu meditieren und eignete sich die Weisheitslehren des Zen-Buddhismus an.  In regelmäßigen Yoga Übungen fand er zu sich selbst und zur abstrakten Malerei. Er malte nicht mehr an der Staffelei,  sondern, in sich gekehrt, auf dem Boden wie bei einer Yoga-Zeremonie. „Wenn ich irgendeine Strategie beim Malen habe“, erklärt Peter Backhaus, „dann ist es die der völligen Verankerung im Jetzt, in der Spontanität, im Bewusstsein, dass dieser Augenblick, in dem ich Beschlüsse fasse und Bewertungen  treffe, der einzige ist, der Relevanz hat. Im Hier und Jetzt bin ich in der energetischen Verbindung mit dem All. So lange ich mich dort aufhalten kann, ist alles möglich, alles Handeln trifft den Punkt. Meine Bilder entstehen in dem Zwischenraum zwischen dem rationalem Denken und dem unbewusstem Empfinden. Sie erwachsen aus spontanen Eingebungen, münden aber in einen langen, mühsamen, Kräfte zehrenden Arbeitsprozess.“

Unter Schwedens offenem und klarem Himmel bringt Peter Backhaus beides in Einklang,  die spontane künstlerische Eingebung und die sorgsam kalkulierte Ausführung.  Seine Werke sollen so vieldeutig  auslegbar  sein wie die Orakelsprüche der zen-buddhistischen Mönche, die Koane. Sie umschreiben ein Paradox, das nicht durch logisches Denken aufgelöst werden kann, sondern nur durch das Einbeziehen der ganzheitlichen Persönlichkeit in all ihren Dimensionen und durch das Ineinandergreifen von Kopf und Bauch, Verstand und Instinkt, von Himmel und Erde, von skandinavischer Klarheit und fernöstlicher Mystik. Seine Bilder sind Innenansichten, sie entstammen einer  Welt jenseits  von unserem alltäglichen Bewusstsein und unserer sinnlichen Wahrnehmung,  außerhalb von Raum und Zeit. In dieser Welt existieren vollkommene Ruhe und grenzenloses Chaos gleichberechtigt neben- und miteinander, so wie am Anfang des  Universums. Diese Gegensätze erzeugen die Energien, aus denen sich die Kreativität und die Phantasie des Künstlers speist.  Sie finden ihren markantesten Ausdruck in seinen kühnen  und so noch nie gesehenen Farbkompositionen. So werden archetypische  Landschaften kreiert, wie sie im Inneren einer Menschenseele verborgen sind. „Meine Malerei“, erläutert Peter Backhaus, „hat keinen Sinn und Zweck, sie verkündet keine Botschaften. Mein Pinsel tanzt frei über die Leinwand. Er findet seinen Weg und sein Ziel wie der Pfeil eines buddhistischen Bogenschützen auf seine eigene Weise, und das kann dauern, manchmal sekundenschnell und manchmal Jahre lang.“

2 Kommentarer

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Yvonne Swahnsvara
14 oktober, 2020 kl. 08:51

Det var en väldigt fin och innehållsrik recension. Jag blir glad att läsa en så bra text och gratulerar!!!

Peter Backhaussvara
14 oktober, 2020 kl. 11:41
– Svar till: Yvonne Swahn

Tack, Yvonne!

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